Tobias Abel, Malerei, Verein für aktuelle Kunst/Ruhrgebiet e.V., Oberhausen 2006
Gegenstandslose Kunst resp. Kunst, die sich selbst zum Gegenstand hat, lenkt den Blick auf ihre materielle Erscheinung. Details, die früher als Bestandteil eines Gemäldes selbstverständlich und also nicht der Rede wert waren, rücken in den Mittelpunkt der Ekphrasis. Die Kunst der Moderne findet ihre Gegenstände an den Rändern und treibt an den Rand unserer Wahrnehmung. Aus den malerischen Abstraktionen einer vorgegebenen äußeren Wirklichkeit wurde die konkrete Wirklichkeit der Bildelemente Farbe und Form.
So gesehen, als Punkt auf einer fiktiven Skala einer Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, erscheinen die monochromen grauen, weißen oder blauen Rechtecke und Kreise Tobias Abels wie ein Fazit, als zusammenfassende Verdichtung oder auch, weil Malewitschs schwarzes Quadrat in nicht allzu ferner Zukunft seinen hundertsten Geburtstag feiert, als postmodernes Zitat. Eine Fährte zum Appropriationsverfahren der Konzeptkunst scheint gelegt, das durch Wiederholung oder gar Kopie dem ursprünglichen Kunstwerk die Aura der heroischen Tat nimmt. Tatsächlich kann man jedenfalls feststellen, dass sich im Vergleich mit den Werken Yves Kleins die Monochromie bei Tobias Abel eher unauratisch präsentiert.
Noch näher an Konzeptkunst befinden sich die Bilder aus einem weiteren Grund: die Ränder der ungerahmten Gemälde Tobias Abels sind unbemalt, nicht einmal grundiert. An ihnen wird sichtbar, dass es sich beim Bildträger um ein Leinen handelt, was auf der fast eher beschichteten denn bemalten Vorderseite nicht erkennbar ist. Das bedeutet umgekehrt einen radikalen Verweis auf die zweidimensionale Bildfläche. Der Betrachter darf sich durchaus energisch auf seinen Standpunkt verwiesen fühlen, der sich frontal zum Bild befindet. Es geht nicht um den körperlichen Aspekt des dreidimensionalen Bildträgers, so wie die Malerei selbst auf jeden gestischen Aspekt verzichtet – die Bilder sind gerade noch als gemalte erkennbar.
Die Dichotomie von Bild und Bildnisträger verweist auf die Tradition des Tafelbildes und grenzt die Arbeiten Tobias Abels etwa von den raumgreifenden Farbraumkörpern Gotthard Graubners ab, wie sie sich ebenso durch ihr überschaubares Format von den Colour Fields der abstrakten Expressionisten um Mark Rothko unterscheiden. Blau, Grau und Weiß ruhen auf dem Rücken einer jahrhundertealten Malereigeschichte, sie brauchen – und das ist mit der Nähe zu einigen Werken der Konzeptkunst gemeint – den Tafelbildcharakter, um ihr So-und-nicht-anders dem Betrachter mitzuteilen.
Der Bildnisträger oder Malgrund spielt auch insofern eine Rolle, als dass sich die Farbe, die Malweise – und daraus dürfen wir schließen: der Künstler selbst – den je anderen Malgründen entsprechend anders gegenüber verhält. Vor allem die Arbeiten auf Papier unterscheiden sich deutlich von den Tafelbildern. Sie sind nicht durchgängig monochrom, und wenn doch, so gibt es chromatische Abstufungen, vor allem ist, verglichen mit dem äußerst reduzierten Gestus der Gemälde, der Pinselstrich fast schon in der Weise eines Impasto präsent.
Wenn wir die Gemälde als Tafelbilder bezeichnen, so bewegen sich die Arbeiten auf Papier in den Begriffen der klassischen Kunst auf dem Gebiet der Zeichnung: als das intimste Studien- und Ausdrucksmittel des Künstlers, dass seine Ideen schon in der Gänze beinhaltet, ohne dem Zwang zu erliegen, abgeschlossen oder fertig sein zu müssen. Die Intimität dieser Arbeiten auf Papier läßt sich auch über eine andere Spur in der europäischen Kunstgeschichte zurückverfolgen.
Ihre Hängung zwischen zwei Glasscheiben verstärkt nicht nur ihren äußert fragilen materialen Charakter, sie erinnert auch an die Präsentation auseinandergenommener Seiten illuminierter Handschriften des Mittelalters, deren größte Kostbarkeit trotz vieler Verzierungen und immer realistischer werdender Details die Farben selbst waren (und sind), insbesondere die goldenen und blauen Hintergründe, die den meist wohlhabenden Besitzer von den frommen Texten ab- und hin zu einer müßig-meditativen Betrachtung lenkten. Das Kostbare und Fragile der Farbe selbst hat seinen Ort in den intimen Arbeiten auf Papier, das Einmalige der Farbe realisiert sich im Tafelbild und seinem Wirken in den Raum.
Aus frühesten Zeiten der Tafelmalerei sind Verträge überliefert, in denen der Auftraggeber festsetzte, wieviel Anteil welche Farbe im vom Künstler zu fertigenden Werk einnehmen sollte und an welchen Stellen. Tobias Abels Arbeiten auf Leinen und Aluminium- oder Kupferplatten haben jeweils nur eine einzige Farbe, deren Auftrag mit der Bildfläche identisch ist, so dass es keine Komposition gibt. Die künstlerische Entscheidung liegt also darin, der jeweiligen Farbe eine bestimmte große oder weniger große Fläche zuzuweisen oder umgekehrt, für die vom vorgefertigten Bildnisträger vorgegebene Fläche die angemessen erscheinende Farbe zu finden.
Die Farben der hier ausgestellten Werke lassen allerdings kaum Vorlieben oder ein programmatisches Abschreiten eines bestimmten Bereichs des sichtbaren Spektrums erkennen, abgesehen vom blauen Kreis suchen wir die reinbunten Farben der konkreten Kunst vergeblich, ein Bild ist sogar braun, was man die unmodernste aller Farben nennen kann, denkt man nur daran, dass von Rembrandts Schülern bis zu heutigen Historienfilmen das Eintauchen in warme Gold-Braun-Töne Bilder alt und nostalgisch macht.
Während Grau als indifferente Farbe auch bei Mondrian durchging und gleichsam den neutralcoolen Farbtenor einer andauernden Stahl-Glas-Beton-Moderne bis hin zum Metallic der Autolackierung abgibt, schien Braun als Farbe der Erde und in der Malerei damit Farbe eines illusionistischen Wirklichkeitsbegriffs schon zu Zeiten der Impressionisten reaktionär und spätestens mit der Blut-und-Boden-Malerei vollends erledigt. Im Statement, das in der Internetankündigung dieser Ausstellung zu lesen ist, sagt Tobias Abel, dass ihm wichtig sei, dass Arbeiten entstehen, die frei sind von Dogma und Formalismus. Die Verwendung von Braun kann ein Hinweis darauf sein, was er damit meint. Versuche, die Farbe auf assoziativen Umwegen emblematisch zu verstehen, scheinen jedenfalls nicht angebracht.
Damit sind wir zumindest so weit, dass trotz aller möglichen Bezüge zur Kunstgeschichte und trotz auch des zeichenhaften Charakters die Werke nichts sagen außer dem Unsagbaren, dass sie in der Entschiedenheit ihrer Farbigkeit, die den Umraum wahlweise dominiert oder zumindest zeigt, dass Weiß nicht gleich Weiß ist, aber die Freiheit für sich reklamieren, so zu sein und nicht anders, und jedweder Beliebigkeit die Unersetzbarkeit des Bildes entgegenhalten.
Text: Thomas Warnecke
Ohne Titel, 2006 (Gold), Acryl auf Aluminium, 180 x 120 cm
Ohne Titel, 2004–06 (Graumetallic), Acryl auf Leinen, 101 x 74 cm
Ohne Titel, 2004–05 (Blau), Acryl auf Leinen, Durchmesser 60 cm, Sammlung Johann Widauer
Ohne Titel, 2006 (Graumetallic), Acryl auf Leinen, 210 x 40 cm, Sammlung Johann Widauer
Ohne Titel, 2006 (Weiß), Acryl auf Leinen, Durchmesser 100 cm, Privatsammlung
Ohne Titel, 2001 (Schwarz), Acryl auf Leinen, Durchmesser 34 cm
Ohne Titel, 2006 (Braunmetallic), Acryl auf Leinen, 60 x 50 cm, Auflage: 5, Nr.: 1/5, Sammlung Johann Widauer
Ohne Titel, 2004–06 (Weiß), Acryl auf Jute, Durchmesser 34 cm, Sammlung Johann Widauer
Ohne Titel, 2005 (Dunkelbraunmetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2005 (Dunkelgraumetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2006 (Braunmetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2005 (Goldgrün), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2006 (Hellgraumetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2005 (Rotmetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2005–06 (Graumetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2006 (Graumetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm
Ohne Titel, 2006 (Hellgraumetallic), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm, Privatsammlung
Ohne Titel, 2005 (Gold), Acryl auf Papier, 42 x 30 cm, gerahmt 62 x 50 cm